Call for Paper
AUA - Abfälle, Unfälle, Ausfälle
Der Driburger Kreis trifft sich von Dienstag, 24. September bis Mittwoch, 25. September 2024 im Vorfeld der Jahrestagung der Gesellschaft für Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik e.V. (GWMT). Er richtet sich explizit an Wissenschaftler:innen, die am Anfang ihrer akademischen Karriere in den Forschungsfeldern der Wissenschafts-, Medizin- und Technikgeschichte und angrenzender Disziplinen stehen (Studierende, Promovierende, Post-Docs, Habilitierende).
Der Driburger Kreis versteht sich als informelles Forum, in dem Probleme, Schritte und Ergebnisse eigener Arbeiten vorgestellt werden können. Das jährliche Rahmenthema soll Anreiz bieten, verschiedene Arbeiten unter einem gemeinsamen Gesichtspunkt zu diskutieren. Projektvorstellungen jenseits des Rahmenthemas sind ebenfalls ausdrücklich erwünscht.
Im Vorfeld der Jahrestagung am Montag, 23. September wird es auch in diesem Jahr einen Workshop geben in Form eines Ideenlabors zur Frage „Wie finde ich ein Forschungsthema?“. Die Veranstaltung wird hybrid sein. Weitere Informationen dazu findest Du in Kürze auf unserer Website.
Verlängerung der Abstract Deadline bis zum Montag, 10. Juni 2024!
Das diesjährige Rahmenthema der Jahrestagung lautet:
Abfälle. Unfälle. Ausfälle.
Abfälle, Unfälle und Ausfälle – diese drei Aspekte finden im Wissenschaftsalltag und der Fokussierung auf Fortschritt nur selten Eingang in wissenschaftliche Erfolgsgeschichten und epistemische Narrative. Die Vorstellung einer geradlinigen Geschichte wissenschaftlicher Fortschritte war über Jahrzehnte im Fokus, rückt aber inzwischen in der wissenschaftshistorischen Forschung immer mehr in den Hintergrund zugunsten von Forschungsfragen, die periphere, non-lineare oder problematischere Aspekte der Wissenschaftsforschung in den Blick nehmen.
Abfälle, Unfälle und Ausfälle sind in diesem Sinne einen wissenschaftshistorischen Blick wert, brechen sie doch häufig nicht nur diese oft linearen Erfolgsgeschichten auf, sondern lenken den Fokus weg von einer monolithischen Erzählung, die den privilegierten weißen Hauptakteur hervorhebt, hin zu einem dynamischeren Verständnis von Wissenschaft, das soziale Interaktionen und außer-epistemische Einflüsse einbezieht. Fehler und Missgeschicke sind nicht bloß Hindernisse, sondern können als Quellen für Innovation und Neuorientierung verstanden werden.
Die Bezeichnungen „Abfall“, „Unfall“ und „Ausfall“ implizieren subjektive, negative Wertungen, die vom positiven Verlauf als dem Standard ausgehen, und sind stark interpretativ. Ihre Bedeutung variiert je nach Kontext und Perspektive. Wer definiert, was als Abfall, Unfall oder Ausfall in Wissenschaft, Medizin oder Technik zu betrachten ist – die wissenschaftlichen Akteur:innen, die Forschenden oder die außerwissenschaftliche Öffentlichkeit? Wann wird etwas als glücklicher Zufall oder gar gewollte Entwicklung interpretiert? Welchen Einfluss hat diese Kategorisierung auf das Verständnis wissenschaftlichen Arbeitens und die Wahrnehmung der Wissenschaft an sich?
Die historische Veränderlichkeit der Begriffe ermöglicht es, die Dynamik des Erkenntnisprozesses darzustellen und kritisch zu hinterfragen, welche Ereignisse als bedeutend oder irrelevant eingeschätzt wurden.
Die Geschichte des Abfalls ist eng mit dem Konzept des gesellschaftlichen Fortschritts verbunden. Als fortschrittlich betrachtete industrielle Prozesse verursachen Abfallprodukte, die sich nicht selten zu einer langfristigen Umweltbelastung entwickeln. Doch was genau wird als Abfall betrachtet und was impliziert diese Kategorie?
In der Literatur finden sich Beispiele, die das Thema Abfall in den Fokus nehmen. Diese reichen von einer historischen Betrachtung der „Kurze(n) Geschichte des Abfalls“ (Winiwarter, 2002) bis hin zu einer kulturwissenschaftlichen Analyse der „Kehrseite der Dinge“ (Windmüller, 2004). Arbeiten, wie die Untersuchung von „Hausmüll“ (Köster, 2017) als spezifischer Abfallkategorie, erweitern das Verständnis für die soziale Dimension des Abfalls. Dem Thema körperlicher Abfallprodukte widmete sich Tamar Novicks Arbeit zur „Entdeckung des Urins“ (Novick 2018), die den Wert dieser anderen Art des Abfalls hinterfragt und seine weitere Nutzung beleuchtet. Spätestens damit wird deutlich, die Definition von „Abfall“ ist sehr facettenreich.
Analog dazu, bietet auch die Betrachtung von Unfällen in der Wissenschafts-, Technik- und Medizingeschichte eine gewinnbringende Möglichkeit, um die Wechselwirkungen zwischen dem Streben nach Fortschritt und möglichen Konsequenzen technologischer Entwicklungen zu erforschen. Unfälle können eine Art Wendepunkt darstellen, an dem die vermeintlich lineare Entwicklung von Innovationen und Entdeckungen unterbrochen wird und die unerwarteten Herausforderungen und Risiken deutlich werden. Mit dieser „Unordnung der Dinge“ beschäftigte sich Kassung 2015 in Form einer Wissens- und Mediengeschichte.
Wer aber definiert ein Vorkommnis als Unfall? Und welchen Effekt hat diese Kategorie für die historische Analyse eines Ereignisses?
Nicht zuletzt haben Wissenschaft, Medizin und Technik auch immer wieder mit Ausfällen zu kämpfen. In technischen Systemen und Infrastrukturen werfen Ausfälle Fragen zur Zuverlässigkeit und Robustheit auf. Wie geht man mit Technik um, die ausfällt? Diese „Grauzonen der Technikgeschichte“ (Möser, 2011) bieten einen geeigneten Ansatzpunkt für historische Analysen der Interaktion und Nutzung von Systemen im sozio-kulturellen Alltag und dem Stellenwert von Wissenschaft und Technik im täglichen Anwendungskontext.
Doch es gibt auch andere Arten von Ausfällen als technische. Etwa Personelle, wie das Ausfallen von Wissenschaftler:innen, beispielsweise durch Kürzungen oder strenge Regulierung von Personalmitteln oder Beschäftigungsbedingungen. Welche Wirkung hat der Ausfall von Arbeitskräften auf die Wissenschaft?
Und was passiert, wenn Personen nicht ausfallen, sondern ausfallend werden?
Mögliche Perspektiven sich dem Thema zu näher sind:
- Welche Rolle spielt Abfall im Kontext technologischer und wissenschaftlicher Innovationen?
- Gibt es versehentliche Fehlfunktionen oder misslungene Experimente, die Einfluss auf wissenschaftliche Erkenntnisse haben?
- Welche Rolle spielen gezielte Formen von Abfällen, Unfällen oder Ausfällen und wer bestimmt, dass sie in Kauf genommen werden?
- Wie prägen Abfälle, Unfälle oder Ausfälle Regulierungsprozesse?
- Was sind die sozialen und kulturellen Dimensionen von Abfällen, Unfällen oder Ausfällen in Wissenschaft, Technik oder Medizin?
- Wie beeinflusst das Labeln von etwas als „Abfall“, „Unfall“ oder „Ausfall“ die Wahrnehmung in konkreten historischen Fallbeispielen?
- Welche Rolle haben die genannten Konzepte für die historiographische Untersuchung der Wissenschaften, Medizin und Technik?
- Welchen Konnotationswandlungen sind die drei Konzepte und ihre konkreten Anwendungsziele unterworfen?
Das Tagungsthema ist explizit weit gefasst und zielt darauf ab, verschiedene Aspekte und Perspektiven von Abfällen, Unfällen und Ausfällen in der Geschichte der Naturwissenschaften, Medizin und Technik in den Fokus zu nehmen. Es können darüber hinaus auch Abstracts eingereicht werden, die nicht direkt auf das Tagungsthema Bezug nehmen oder Wissensgeschichte in einem breiteren Rahmen denken.
Literatur
Kassung, Christian (Hrsg.). Die Unordnung der Dinge: Eine Wissens- und Mediengeschichte des Unfalls. Transcript, 2015.
Köster, Roman. Hausmüll: Abfall und Gesellschaft in Westdeutschland 1945-1990. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht, 2017.
Möser, Kurz (Hrsg.). Grauzonen der Technikgeschichte. Neuauflage (Online). Larlsruhe: KIT Scientific Publishing, 2011 (Erstellungsdatum: 08 septembre 2023).
Novick, Tamar. Die Entdeckung des Urins. In: Nach Feierabend. Züricher Jahrbuch für Wissensgeschichte 14, special issue: Research Materials: Logistics, Logics, Traditions, 2018, 139-149.
Windmüller, Sonja. Die Kehrseite der Dinge: Müll, Abfall, Wegwerfen als kulturwissenschaftliches Problem. Münster: Lit, 2004.
Winiwarter, Verena. Eine kurze Geschichte des Abfalls. In: Wissenschaft & Umwelt Interdisziplinär 5, April 2002, 5-14.
Gina Maria Klein
Universität Bielefeld
Sende Dein Abstract von maximal 300 Wörtern, inklusive einem Kurzlebenslauf (zusammengefasst in einem Word-kompatiblen Dokument) bis zum 31. Mai 2024 an das Organisationsteam des Driburger Kreises (info@driburgerkreis.de). Für Vortrag und Diskussion sind insgesamt 30 Minuten (15 min Vortrag, 15 min Diskussion) angedacht, sodass wir ausreichend Zeit für Feedback und Diskussion haben. Sollte es Fragen zum Thema oder allgemein zur Veranstaltung geben, wende Dich gerne an das Organisationsteam (ebenfalls unter info@driburgerkreis.de).
Guidelines und Hilfestellungen zum Schreiben von Abstracts, sowie weitere Informationen zum Vortragsformat findest Du auf unserer Website.
Informationen über das Reisekostenstipendien der GWMT findest Du auf der Website der GWMT.
Der Driburger Kreis tagt als selbstständiges Early Career Network der deutschen Wissenschaftsgeschichte traditionell mit eigenem Rahmenthema unmittelbar vor der Jahrestagung der GWMT. Im kleineren Kreis stehen bei uns der intensive Austausch mit anderen Early Career Wissenschaftshistoriker*innen vom Studium bis zum Postdoc und die Möglichkeit erste Erfahrungen bei Tagungen zu sammeln im Vordergrund. In den letzten Jahren kam vermehrt der Wunsch seitens der GWMT-Tagungsteilnehmer*innen auf, ebenfalls Einblick in die Inhalte der DK-Tagung zu erhalten und den Austausch mehr zu fördern.
Bei der diesjährigen Tagung in Ingolstadt wollen wir daher die Gelegenheit nutzen und ein DK-Panel für die GWMT-Tagung (13. bis 15. September) einreichen, das unser Rahmenthema „Zu spät“ aufgreift. Das Panel umfasst 3 bis 4 Vorträge à 20 min (bei 3 Vorträgen schließt sich ein ausführlicherer Kommentar mit Diskussion zu den Vorträgen an). Es wird von Alexander Stöger geleitet, der das Tagungsthema vorgeschlagen hat. Es können Vorträge zu Projekten in allen Arbeitsphasen eingereicht werden.
Die Vortragenden würden außerdem am Driburger Kreis (12. bis 13. September) als Gäste teilnehmen, aber dort nur ebenfalls vortragen, sofern sie das wünschen und noch Plätze frei sind. Im Nachfolgenden findet sich eine für das Panel angepasste Version des Rahmenthemas „Zu spät“. Für den Driburger Kreis folgt der Call for Paper im März. Sofern wir mehr Einsendungen haben als Platz im Panel ist, können wir die Einsendungen automatisch als Einsendungen für den Driburger Kreis aufnehmen, falls gewünscht (dann bitte im Abstract angeben).
Panelthema „Zu spät“
Zeitlichkeit ist die omnipräsente und daher womöglich häufig auch übersehene Säule der Wissenschaftsgeschichte. Die jüngste Prominenz von Themen wie dem Anthropozän oder der Frage nach der Adäquatheit von Zeitbegriffen wie „Mittelalter“ und „Moderne“ zeigen, dass die Wissenschaftsgeschichte nicht nur darum ringt, Wissenschaft zu begreifen, sondern auch Zeit. Hinzu kommt, dass Zeitlichkeit selbst in der Wissenschaft immer präsent war, etwa wenn es um Prioritätsstreitigkeiten ging. Die häufig leidenschaftlich diskutierte Frage, wer eine wissenschaftliche Leistung als erste*r vorweisen konnte, zeigt, dass Zeit und Verzeitlichung weit über den temporalen Aspekt hinausreichen.
Die Zweiten hatten und haben dabei meist das Nachsehen. Zu spät im Rennen um Anerkennung, Recht oder wissenschaftlichen Erfolg, verschwinden sie in den Fußnoten der Geschichte und ihre Ansätze verblassen angesichts der vermeintlich einzigen Lösung der Ersten.
Die Beiträge in diesem Panel sollen sich kritisch mit Zeit und Zeitlichkeit in der Wissenschaftsgeschichte auseinandersetzen und dabei einen Blick auf diejenigen werfen, deren Timing sich negativ auf ihre Arbeit und Anerkennung ausgewirkt hat. Sie hinterfragen Narrative von „Pünktlichkeit“ oder „Gewinnertum im Rennen um die Lösung“ und zeigen anhand unterschiedlicher Fälle aus der Geschichte, welche neuen Erkenntnisse ein Perspektivwechsel hin zur temporalen Peripherie und den Verdiensten derer bringen können, die zu spät waren.
Willkommen sind 20-min Beiträge, es gibt keine zeitliche oder geografische Einschränkung. Sende uns Dein Abstract von max. 250 Wörtern bis zum 10. Februar an info@driburgerkreis.de mit dem Betreff „GWMT Panel“. Füge außerdem eine Kurzbiografie (Name, Heimatinstitution, einen bis zwei Sätze zu Deinem aktuellen akademischen Stand und der Verortung des Vortragsthemas, ggf. ob Dein Vortrag auch als Beitrag bei der DK-Tagung Berücksichtigung finden soll) bei. Weitere Informationen zu Abstracts und Vorträgen findest Du hier.
Frösche
Von Alexander Stoeger (Leiden) & Rebecca Mossop (Luxemburg)
Der Frosch lässt sich nur schwer aus der Menschheitsgeschichte wegdenken. Kulturwissenschaftlich betrachtet ist der bunte Hüpfer ein Phänomen konstanter Ambivalenz. Er kommt in nahezu allen Teilen der Welt vor und hat stets in der Nähe des Menschen gelebt, ohne je in den Status eines Haus- oder Nutztiers im engeren Sinne erhoben worden zu sein. In religiösen, literarischen und künstlerischen Überlieferungen ist er ein regelmäßiger, aber unbestimmter Gast, von der Plage im Alten Testament über den verzauberten Märchenprinzen bis hin zum verwandelten Gott.
Auch den Naturwissenschaften und ihren Vorläufern ist das resiliente Amphib ein bekannter Begleiter mit einer wechselhaften Bedeutungsgeschichte. So galt der Frosch in mystischen Interpretationen des Mittelalters und der Frühen Neuzeit als Begleiter oder Zutat magischer Unternehmungen, war in der Medizin bis ins 18. Jahrhundert auf kuriose Weise mit dem Uterus assoziiert und wurde schließlich zum favorisierten Versuchstier im europäischen Labor des 19. Jahrhundert oder zum Meteorologen im Wetterglas. Seit den 1970ern steht der Frosch als Symbol für umweltfreundliche Verfahren oder Umweltschutz zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit, was sein allgemeines Image signifikant verbessert hat. Selbst in Geräten und Verfahren, die sich auf den ersten Blick kaum mit dem grünen Tier assoziieren lassen, wie Grubenlampen oder Quarks-Teilchen, finden sich Verbindungen, die eine Brücke schlagen zu der mannigfaltigen Geschichte des Frosches und seines Verhältnisses zur Menschheit.
Die Kultur- und Wissenschaftsgeschichte des Frosches ist vielschichtig und verspricht reiche Erkenntnisse über die Bereiche, Wertvorstellungen und Praktiken, deren Teil das Tier direkt oder indirekt im Laufe der Jahrhunderte war und bis heute ist. Im diesjährigen Driburger Kreis soll daher der Frosch zwar nicht als Untersuchungsgegenstand im Mittelpunkt stehen, aber als epistemisches Objekt den Fokus auf das Verhältnis von Wissensgewinn und Forschungsobjekt werfen. Es gilt dabei zu fragen, wie Forschung und Forschungsanwendung im metaphorischen oder tatsächlichen Beisein des Frosches im weitesten Sinne stattgefunden haben, wie das Tier damit assoziiert wurde und welche Funktion es dabei einnahm. Der Frosch als epistemisches Objekt ist hier in einer weiten Bedeutung, sowohl als Tier wie auch als semantisches Konzept zu verstehen. Mögliche Perspektiven, aus denen man sich dem Thema nähern könnte:
- Welche Rolle kamen und kommen Fröschen und anderen Tieren als Versuchstiere in Experimenten zu?
- Wie prägte das Verhältnis des Anders- oder Gleichartigen die Rolle des Frosches beim Wissensgewinn?
- Wie schuf und schafft Wissenschaft Bedeutungsverschiebungen, wie sie zum Beispiel für den Frosch im 19. Jahrhundert vom mystischen Wesen zum neutralen Laborobjekt stattgefunden haben?
- Wo finden sich ‚Frösche‘ in der Wissenschaft, wo gar keine mehr sind? Und wie(so) wurden sie dort abgelöst?
- Wie lässt sich die tierethische Dimension der Naturwissenschaften, Medizin und Technik anhand des Frosches und anderer Versuchstiere nachzeichnen?
- Inwiefern diente der Frosch als Vorbild technischer Konstruktionen, Maschinen oder Verfahren? Welche Funktion nahm er dabei ein? Wie schlägt der Frosch damit die Brücke zwischen epistemischer Praxis und kulturellen Gedankenguts?
Das Tagungsthema ist explizit weit gefasst und zielt darauf ab, verschiedenste Aspekte und Perspektiven der Geschichte der Naturwissenschaften, Medizin und Technik unter den einen „Frosch zu bringen”.
Abstracts von einer Seite für ca. 15-minütige Vorträge nebst Kurzlebenslauf (zusammengefasst in einem pdf) werden erbeten bis zum 1. Juli 2022 an Alexander Stöger. Weitere Informationen zu Abstracts und dem Format des Driburger Kreises finden sich hier.
Für Beitrag und Diskussion sind insgesamt 30 Minuten angedacht.
Der Driburger Kreis trifft sich vom Montag, 11. September bis Mittwoch, 13. September 2023 in Person in Ingolstadt im Vorfeld der Jahrestagung der Gesellschaft für Wissenschaften, Medizin und Technik (GWMT).
Zu spät – Eine kritische Betrachtung von Zeitlichkeit und Wertung
Zeit ist der definierende Faktor jeder historischen Betrachtung, obwohl er selten als solcher benannt wird. In den letzten Jahren haben neue temporale Konzepte wie das Anthropozän sowie die kritische Betrachtung regionaler Epochenbegriffe im globalen Kontext neue Perspektiven auf diesen Aspekt eröffnet. Während die Rolle des Menschen in größeren zeitlichen Dimensionen gedacht wird, hinterfragen Forscher*innen auch kritisch, inwiefern Konzepte wie „Das Mittelalter“ und die Anwendung damit tradierten Vorstellungen auf andere Kulturkreise angemessen sind. Zeit, so steht inzwischen fest, ist auch ein wertender Faktor, dessen sich Historiker*innen bewusst sein müssen.
Zugleich spielt Zeit auch in kleinsten Mengen für die Geschichte und nicht zuletzt für die Wissenschaften, Medizin und Technik eine entscheidende Rolle. Prioritätenstreitigkeiten und Erfindungswettbewerbe zeigen, dass der Anspruch, etwas zuerst entdeckt oder erfunden zu haben, nicht nur momentanes Ansehen, sondern auch historischen Ruhm und Einfluss bedeuten kann. Die Verlierer*innen haben dabei häufig das Nachsehen. Zu spät im Rennen um Anerkennung, verschwinden sie in den Fußnoten der Geschichte und ihre Ansätze verblassen angesichts der vermeintlich einzigen Lösung der Ersten.
Wissenschaftshistoriker*innen haben unlängst den Blick der Forschung auf die Peripherie, das Nicht-Elitäre, die „Workingclass of Knowledge Production“ gerichtet und dabei gezeigt, dass diese nicht nur essenzielle Bausteine der Wissensgebäude sind, deren Fassade die Wissenschaftsgeschichte bislang bevorzugt beleuchtet hat. Sie haben damit zugleich ein kritisches Licht auf wissenschaftshistorische Praktiken und Methoden geworfen.
In diesem Sinne beschäftigt sich der Driburger Kreis in diesem Jahr mit der Marginalisierung der zeitlich Nachkommenden unter dem Titel „Zu Spät“. Gemeint ist hier im weitesten Sinne die negative Wertung von Zeitlichkeit, beispielsweise in Fallstudien, in denen spezifische Errungenschaften, eine Person(engruppen) oder Ereignisse hinter einem anderem zurückstehen musste und zeitgenössisch oder rückwirkend dadurch abgewertet wurde. Naheliegende Fälle wie Prioritätsstreitigkeiten sind ebenso willkommen wie kritische Betrachtungen von westlichen Überlegenheitsnarrativen, etwa wenn es um die „Erstentdeckung“ nicht-europäischer Teile der Welt geht.
Mögliche Perspektiven, aus denen man sich dem Thema nähern könnte:
- Prioritätsstreitigkeiten und Hoheitsansprüche auf Grund von zeitlichem Zuvorkommen
- Forcierung von Linearität und einem Fokus auf eine Schlüsselperson/ein Schlüsselereignis als zentralem Aspekt in wissenschaftshistorischen Narrativen
- Die Wahrnehmung von Zeitlichkeit und Druck bei Wissenschaftler*innen
- Entdeckungen und Errungenschaften, die weniger oder keine Beachtung fanden, da sie hinter einem als wichtiges wahrgenommenes Ereignis zurückstehen mussten
- Eine kritische Betrachtung des Konzepts „zu spät“ anhand wissenschaftshistorischer Beispiele
- Reflexionen zu Zeitlichkeit und verwandten Konzepten wie Eile, Hast, Zügigkeit im wissenschaftshistorischen Kontext
- Fälle, in denen der zeitliche Wettbewerbsfaktor gezielt ignoriert, ausgehebelt oder kritisiert wurde
Das Tagungsthema ist explizit weit gefasst und zielt darauf ab, verschiedenste Aspekte und Perspektiven der Geschichte der Naturwissenschaften, Medizin und Technik unter „Zu Spät“ bewusst mit einer kritischen Betrachtung von Zeitlichkeit zu konfrontieren.
von Alexander Stöger (Universität Leiden)
Abstracts von maximal einer Seite für ca. 15-minütige Vorträge inklusive Kurzlebenslauf (zusammengefasst in einem Word-kompatiblen Dokument) werden erbeten bis zum 15. Mai 2023 (verlängert bis zum 25. Mai) an info@driburgerkreis.de. Weitere Informationen zu Abstracts und dem Format des Driburger Kreises finden sich hier.
Für Beitrag und Diskussion sind insgesamt 30 Minuten angedacht. Fragen zum Thema oder der Veranstaltung können gerne an das Organisationsteam gerichtet werden (ebenfalls unter info@driburgerkreis.de).
Informationen über mögliche Reisekostenstipendien der GWMT finden sich hier.